Hans Christiansen (1866-1945)
Hans Christiansen (* 6. März 1866 in Flensburg; † 5. Januar 1945 in Wiesbaden) war ein deutscher Kunsthandwerker und Maler des Jugendstils (art nouveau = youth style = modern art) und ein Künstler von Villeroy & Boch Mettlach (siehe Vase #2424 und #2425 bzw. Kanne #2433).
Er gehörte damals zu der kleinen Anzahl von Künstlern, die über den Jugendstil eine vollkommene Stilerneuerung in der Vereinigung von Kunst und Leben anstrebten und die sich u.a. auch in kunsthandwerklichen Gebrauchsgegenständen widerspiegelte.
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Kurzer Lebensabriß:
Wie viele bekannte Künstler aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts besuchte auch Hans Christiansen die Kunstgewerbeschule München ~ 1888). Um sich als Maler weiter zu bilden, unternahm er eine Italienreise und ließ sich anschließend als Dekorationsmaler in Hamburg nieder. 1895 gab er seinen Beruf dann auf und ging über Antwerpen nach Paris, wo er an der Académie Julian studierte. Hier lernte er auch seine spätere Frau Claire kennen.
Nach seinem Studium entwarf im Auftrag des Kölner Schokoladenproduzenten Ludwig Stollwerck Sammelbilder für Stollwerck- Sammelalben, u. a. die Serie „Sternbilder“ für Stollwerck’s Sammel-Album No. 2 von 1898.
1899 berief ihn Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein in die Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Er gehörte mit Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens zu den ersten sieben Mitgliedern und entwarf kunstgewerbliche Möbel, Keramiken, Glasmalereien und Schmuckentwürfe des Jugendstils.
Wie kaum einem anderen Künstler in dieser Zeit gelang es Christiansen in seinen Entwürfen den Geist und Stil der Jahrhundertwende darzustellen, was ihm Aufträge in der ganzen Welt einbrachte. Namhafte Firmen, die im Kunstgewerbe eine herausragende Stellung hatten, warben gerne mit seinem Namen.
Er prägte typische Jugendstil-Motive, wie die stilisierte Rose, die Mohn- und Distelblüte oder auch blumengeschmückte Frauenköpfe mit wild umher wehenden Haaren, mit. Aber auch Wasserschlangen, Nixen und viele andere Ausdrucksformen dieser Stilrichtung haben seine Handschrift und wurden kopiert und auf andere Kunstgattungen übertragen.
Auf den Weltaustellungen in Paris, Turin und St. Louis wurde er mit "Großen Preisen" ausgezeichnet. Seine Kompetenz als Jurymitglied war auf verschiedenen Wettbewerben und Ausstellungen sehr geschätzt. Der Großherzog von Darmstadt krönte seine Arbeit mit der Verleihung des Professortitels.
Hans Christiansen gestaltete sein eigenes Haus in Darmstadt, Alexandria-Weg (Mathildenhöhe), selbst. Als Leitmotiv für die Ausgestaltung sämtlicher Räume der Villa diente die "Rose". So ist es auch nicht verwunderlich, dass er es "Villa in Rosen" nannte.
Daneben war er als Grafiker für die Zeitschrift "Jugend" tätig, welche 1896 durch Georg Hirth ins Leben gerufen wurde und für das er eine große Anzahl von Titelseiten und Berichte verfaßte. Insbesondere Hans Christiansen Buchschmuck-Arbeiten für die Zeitschrift haben in entscheidender Weise dazu beigetragen, dass diese schon um 1900 der Stilbewegung in Deutschland ihren Namen gab.
Ab 1911 dozierte er an der Kunstgewerbeschule Wiesbaden. Er gehörte der Freien Künstlerschaft Wiesbaden an.
Aufgrund seines Kunststils und weil er mit einer Jüdin verheiratet war, wurde er im Dritten Reich von der Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam.
Die „Villa in Rosen“ wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, ihre Ausstattung ist großteils verschollen.
Das kunst- und kulturgeschichtliche Museum in Flensburg bewahrt seinen Nachlass auf, den es 1959 von seiner Witwe erwarb.
Keramik und Jugendstil
Die Blütezeit von Steinzeug und Steingut des europäischen Jugendstils liegt zwischen 1895 und 1905, auch wenn eine Vielzahl von typischen Jugendstilkeramiken vor und nach dieser Zeit entstanden ist. Es waren gerade die Keramiken des Jugendstils, die die ersten großen Erfolge im "Neuen Stil" feierten, was bis heute eine große Bewunderung dieser Produkte nach sich zieht.
Der Jugendstil war die Abkehr von der vor allem in Deutschland des 19. Jahrhunderts entstandenen reinen Luxusartikelkunst, die vor allem für die wohlhabende Bevölkerung gedacht war. Man wollte mit ihr eine lebende Kunst einführen, die die einfachen Dinge des täglichen Gebrauchs in den Mittelpunkt stellt.
Jedoch waren In der Steinzeug- und Steingutbranche nur wenige Firmen bereit, die Neugestaltung von Gebrauchskeramik anzugehen. Unter ihnen waren J. v . Schwarz aus Nürnberg, die Wächtersbacher Steingutfabriik und auch Villeroy & Boch Mettlach.
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Das Schicksal von Hans Christiansen und vieler anderer Jugendstilkünstler ...
Trotz der höchsten Würdigungen, die Christiansen und seinen Künstlerkollegen in der Phase ihres künstlerischen Schaffens durch Zeitgenossen zuteil wurde, sind ihre Namen später in völlige Vergessenheit geraten.
Wie konnte das geschehen wird man sich fragen?
Es lag vor allem an der "übertriebenen" Erwartungs- und Anspruchshaltung der Jugendstilkünstler.
Man versuchte in zu kurzer Zeit die angestrebte Erneuerung der Kunst (= Etablierung eines "Neuen Stils") in sämtlichen Lebensbereichen einzuführen. Die "Neue Kunst" und ihr Formgefühl konnte sich somit nicht ausreichend in der Bevölkerung manifestieren.
Des weiteren fehlte es an einem einheitlichen und gemeinsamen Stilprinzips. Der Jugendstil war geprägt von unterschiedlichen Konzeptionen verschiedener Richtungen, die sich als floraler, linearer und geometrisierender Jugendstil ausbildeten. Dies führte zusammen mit der rigorosen Ablehnung historischer Stilarten zu einer allgemeinen Desorientierung bei den Menschen.
Ein weiterer Aspekt des Ausbleibens einer ästhetischen Durchdringung breiter Volksschichten waren die hohen Preise, die man für individualsierte Jugendstil-Kunst bezahlen mußte. Preise, die für den einfachen Bürger mit bescheidenen finanziellen Mitteln, nicht akzeptabel waren und der sich deshalb mehr mit den einfach gestalteten, aber deutlich günstigeren, industriell gefertigten Produkten zufrieden gab.
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Hans Christiansen und das Unternehmen Villeroy & Boch Mettlach
Aus einem Schreiben vom 11. August 1897 des Unternehmens Villeroy & Boch Mettlach an den Künstler Hans Christiansen geht hervor, dass sich der Künstler am 18, Februar 1897 mit eigenen Entwürfen seiner Arbeit vorstellig wurde. Dem Künstler wurde jedoch abgesagt mit der Begründung, dass man selbst ein Atelier errichtet habe und somit seine Dienste nicht in Anspruch nehmen könnte.
Es muß dennoch im darauffolgenden Jahr zu einer Zusammenarbeit zwischem dem Künstler und Villeroy & Boch gekommen sein, da die Firma im Verkaufskatalog von August 1899 zwei Vasen anbot (Formnummer #2424 und #2425), dessen Dekor eindeutig die “Handschrift“ von Christiansen tragen. Das Motiv des Vasendekors mit dem Titel "Die Nacht" (#2424) wurde bereits 1897 in der Zeitschrift "Jugend" unter seinem Namen abgebildet (siehe Abbildung rechts).
Es ist unvorstellbar, dass dieses bekannte Motiv des Künstlers von Villeroy & Boch als Dekor für eine Vase ohne dessen Zustimmung verwendet wurde.
Da das Dekor der zweiten Vase (#2525), mit dem Titel "Der Tag", von Christiansen als Gegenstück zur Vase #2524 entworfen wurde, läßt auch für dieses Vasendekor den Schluss zu, dass die Verwendung durch die Firma vom Künstler genehmigt wurde.
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Hier eine Liste von Mettlach-Artikeln, die Hans Christiansen für das Unternehmen Villeroy & Boch Mettlach entworfen hat (ohne Signatur):
#2424, #2425
#2433